Frühjahrsseminar 2024

Veröffentlicht am 10.04.2024 in Allgemein

Michal Bláha (3.v.li.) führte die Exkursionsgruppe der Seliger-Gemeinde durch die Perlmuschelzucht in der Huschermühle

 

Das grüne Band – Zukunftsraum im Herzen Europas

Praxisbeispiel: Perlmuschelzucht in der Huschermühle

 

Ein Teil der diesjährigen Exkursion anläßlich des Frühjahrsseminars 2024 führte die Seliger-Gemeinde ins Europäische Grüne Band und hier speziell ans Dreiländereck bei Regnitzlosau. In den Gewässern, die Böhmen, Bayern und Sachsen verbinden, haben sich die vom Aussterben bedrohten Flussperlmuscheln (Margaritifera margaritifera) gehalten – hier liegt derzeit eines der größten Vorkommen in Mitteleuropa. Auch im Naturpark Oberer Bayerischer Wald gibt es Flussperlmuscheln, u.a. im Grenzbach Biberbach.

Die flachwellige Landschaft in einer Höhenlage von 500 bis 700 m über NN ist durch Wald und landwirtschaftliche Nutzung gekennzeichnet. Das Wasser der meist geschwungenen, oft auch mäandrierend laufenden Perlmuschelbäche ist kühl, nährstoff- und kalkarm. Flussperlmuscheln sind Indikatoren für hervorragende Wassergüte und höchste ökologische Qualität. Sie brauchen naturnahe Bäche, die auch in niederschlagsarmen Zeiten Wasser führen, einen sandig-kiesigen Untergrund haben und viele Bachforellen beherbergen.

„Früher bedeckte Perlmuschel zu Abertausenden die Bachbetten Bayerns – in großen Kolonien aufgereiht wie Pflaumen auf einem Kuchen. Heute ist die Flussperlmuschel zur Seltenheit geworden, veränderte Umweltbedingungen machen ihr das Überleben schwer“, erklärte Michal Blaha, einer der Mitarbeiter in der Perlmuschelzuchtanlage Huschermühle während der Führung der Exkursionsgruppe durch die Anlage.

Zur Erhaltung der Flussperlmuscheln arbeiten Behörden der Wasserwirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Naturschutzes und der Fischerei länderübergreifend in Bayern, Sachsen und Tschechien zusammen. Ziel eines integralen Gewässerschutzkonzeptes ist es, zum einen die noch vorhandenen Muschelbestände dauerhaft zu sichern, gleichzeitig aber eine Bestandsverjüngung der überalterten Populationen zu erreichen. Der BN unterstützt dieses Ansinnen mit einer Muschelzuchtanlage.

Lebensgrundlage für die Flussperlmuschel sind eine gute Wasserqualität und naturnahe Gewässerstrukturen. Deshalb besteht ein Schwerpunkt des Gewässerschutzkonzeptes darin, Abwasserbelastungen von den Perlmuschelgewässern gänzlich fernzuhalten. Doch auch stoffliche Einträge aus der Land-, Forst-, und Teichwirtschaft sowie Schlammablagerungen sind für die Flussperlmuschel sehr schädlich. Dieser Schlamm trägt zur Verstopfung des Lückensystems im Bachgrund bei (Kolmation) und ist eine Ursache für den Rückgang der Bestände. Denn während die Altmuscheln sich bei Starkregen auch einmal 48 Stunden lang verschließen und die Schlammfracht an sich vorbeiziehen lassen können, ist das den Jungmuscheln im Sediment nicht möglich. Der Effekt: Die Jungmuscheln bleiben aus, und das, obwohl eine ausgewachsene Flussperlmuschel vier Millionen mikroskopisch kleiner Larven (Glochidien) jährlich zur Welt bringen kann. Zudem wurde die Bachforelle durch die eingeführte Regenbogenforelle verdrängt. Nur die Bachforelle kann der Flussperlmuschel als Wirt dienen.

Doch auch der Klimawandel macht den Flussperlmuscheln in Bayern zunehmend das Leben schwer. Hitze und Trockenperioden engen ihren Lebensraum weiter ein. "Sie ist in den letzten Jahren sehr stark von der Austrocknung betroffen", berichtete Michal Bláha während seiner Führung. Wird das Wasser zu warm, produzierten die Weibchen keine voll entwickelten Larven mehr und geben diese in einem unreifen Stadium ab. Die Fortpflanzung kommt ins Stocken. Bleibt das Wasser ganz weg, vergraben sie sich in den Boden. Was im Schatten gelingt, ist bei strahlender Sonne das Ende der Muschel. Immer wieder müssten große Mengen Wasser in Flüsse in Oberfranken geleitet werden.

Bei Zählungen in den 1980er Jahren in heimischen Bächen entdeckte der BN nur noch 100.000 bis 150.000 der schönen Muscheln; in den 1950er-Jahren sollen es noch sieben bis zehn Millionen gewesen sein. 2020 war gerade noch 30.000 davon übrig. Außerdem sind die bayerischen Bestände deutlich überaltert: Kaum ein Tier zählt weniger als 40 Jahre.

Unter diesem Aspekt wurde 2004 im Rahmen des Förderprogramms INTERREG III A der Europäischen Union ein Schutzprojekt zur Renaturierung der Seitenbäche initiiert. Die Maßnahmen liegen jedoch weit hinter dem Zeitplan. Zwar laufen in dieser Richtung schon einige Projekte wie das Wegbaggern der Schicht, allerdings seien die Gespräche mit Verursachern aus der Landwirtschaft teilweise recht zäh. Eine Aufzuchtanlage des BN dient als Zeitgewinnungsprojekt für die kommenden Jahre. Erst wenn sich die Lebensverhältnisse für die Jungmuscheln in den Bächen zum Positiven verändert hätten, könne man daran denken, die Vermehrung wieder komplett der Natur zu überlassen.

Flussperlmuschelzucht

2018 fiel der Startschuss im Landkreis Hof für die Zucht der Flussperlmuschel: In der Huschermühle, einer alte Getreidemühle aus dem 17. Jahrhundert, im Dreiländereck bei Regnitzlosau wird für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Tierart gesorgt.

In der Flussperlmuschelzuchtanlage werden die Kiemen der Bach-Forellen mit den mikroskopisch kleinen Larven der Flussperlmuschel – den sogenannten Glochidien – infiziert, wo sie für rund ein Jahr als Parasiten leben, bis sie von selbst abfallen. Das Ganze ist für die Fische völlig ungefährlich. In speziellen Behältern werden die jungen Muscheln dann im Bachwasser gehalten, bis sie bei einer Größe von etwa 15 Millimetern in die Freiheit entlassen werden.

Die Kosten für das 1,37 Millionen Euro teure Projekt übernehmen zu 85 Prozent die Europäische Union, 5 Prozent der Bayerische Naturschutzfonds und 10 Prozent die BN Kreisgruppe Hof.

Faszinierender Entwicklungszyklus

Seit 300 Millionen Jahren leben Flussperlmuscheln schon auf der Erde, sie sind wohl die älteste, auf der Erde lebende Tierart. Angesichts ihres komplizierten Lebenszyklus' ist das durchaus erstaunlich.

  • Entwicklungsschritt 1: Nach der "Geburt" heften sich die Larven der Flussperlmuschel an die Kiemen ihres exklusiven Wirtsfisches, der Bachforelle. Dort wachsen sie ein bis zehn Monate lang zu einer winzigen Muschel von 0,4 bis 0,7 Millimeter Länge heran, die schließlich abfällt.

  • Entwicklungsschritt 2: Jetzt geht der FlussperlmuschelNachwuchs erst einmal fünf bis sieben Jahre auf Tauchstation. Die Jungmuscheln graben sich im Bachbett ein und entziehen sich so auch den Augen der Forscher.

  • Entwicklungsschritt 3: Mit einer Größe von einem bis 1,5 Zentimeter kommen junge Flussperlmuscheln wieder nach oben, setzen sich zu großen Gruppen im Bachbett fest und filtrieren ihre Nahrung aus dem Strömungswasser.

  • Entwicklungsschritt 4: Erst mit 15 Jahren sind Flussperlmuscheln fortpflanzungsfähig. Aber gemessen an ihrer möglichen Lebensspanne ist dieser Zeitraum wiederum kurz. Denn wenn die Bedingungen günstig sind, können Flussperlmuscheln 80 bis etwa 100, in Skandinavien sogar bis zu 150 Jahre alt werden. Dabei werden sie etwa neun bis maximal 13 Zentimeter lang.

Seit 2018 züchtet der BN Muscheln in der Huschermühle. Die Larven der Flussperlmuschel werden dort so lange betreut, bis sie zu winzigen Jungmuscheln herangewachsen sind und in Lochplatten in die Herkunftsbäche zurückgesetzt werden können. Zwei Vollzeitkräfte, einer davon ist Michal Bláha,  sind 365 Tage im Jahr mit der Muschelaufzucht beschäftigt. Nach sechs Jahren werden die Tiere, bis zu 15.000 Jungmuscheln jährlich, ausgewildert und sich selbst überlassen.

Der BN, die Naturschutzbehörden des Landkreises Hof und der Regierung von Oberfranken sowie das Wasserwirtschaftsamt Hof arbeiten gemeinsam mit den tschechischen Nachbarn seit mehr als 25 Jahren daran, die Lebensräume der Flussperlmuschel in der Region wieder zu verbessern. Flussufer werden von Fichten befreit, Flächen angekauft und aus der intensiven Nutzung genommen und Schlammfangbecken installiert.

Die Huschermühle wird nicht nur als Zuchtstation genutzt werden, sondern ist gleichzeitig auch zu einem Zentrum der Muschelinformation geworden. Zum einen wird ein breit gefächertes Angebot zur Jugendbildung angeboten, zum andern bietet die Huschermühle auch Raum für Seminare, Schulungen und Fachtagungen. Dabei ist die Zuchtstation sowohl Anlaufstation für die regionale Bevölkerung und Fachpublikum. Außerdem gibt es regelmäßig Führungen in der Aufzuchtstation.

Und zum Schluss: Perlen für die Landesfürsten

„In ihrem langen Leben haben Flussperlmuscheln genügend Zeit, in ihrem Inneren eine kleine Kostbarkeit entstehen zu lassen. So findet sich in manchen Beständen in jeder zehntausendsten Muschel eine Perle. Sie und die seidenschimmernde Perlmuttschicht im Inneren der Muschel waren bereits im Mittelalter begehrt und die Perlfischerei war ab Anfang des 17. Jahrhunderts ein Vorrecht der Landesfürsten“, so Michal Bláha zum Ende seiner Ausführungen.

Die Perlen waren für Adelshäuser so wertvoll, dass es in Sachsen und Bayern hauptberufliche Perlenfischer gab, die die Flussperlmuscheln pflegten und ernteten. Im 19. und 20. Jahrhundert waren bis zu 1.000 Menschen in der "Perlmuttindustrie" beschäftigt.

Flussperlmuschelaufzuchtstation Huschermühle

Huschermühle 61

95194 Regnitzlosau

Tel.: 09294-9755656

Internet: www.muschelmühle.de

Mail: info@bund-naturschutz.com

 
 

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