Frühjahrsseminar 2024

Veröffentlicht am 12.04.2024 in Allgemein

Exkursionsleiter Thomas Oellermann (li.) im Gespräch mit Jörg Hacker, Bund für Umwelt und Naturschutz Hof (Mitte) und Andreas Höpfner, Gebietsgruppenleiter BaWü (re.) – im Hintergrund das Informationszentrum Huschermühle und Walter Annuß

 

Das grüne Band – Zukunftsraum im Herzen Europas

Vortrag und Gespräch mit Jörg Hacker, Projektleiter des Bund Naturschutz (BN) für das Transnationale Projekt "ReCo" – Querverbindungen zur Seliger-Gemeinde

Vormittagsziel der Exkursion war das BN-Informationszentrum Huschermühle am Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechische Republik. Umwelt- und Klimaschutz, ein Rahmenthema der Seliger-Gemeinde für die kommenden Jahre, muss unweigerlich im Grenzgebiet Deutschland-Tschechien zum Grüne Band Europa führen. In der bayerisch-tschechischen Pilotregion „Fichtelgebirge/Smrčiny“ arbeitet die BN-Kreisgruppe Hof ein großflächiges und grenzübergreifendes Konzept zur ökologischen Aufwertung und Renaturierung von kleineren Fließgewässern und Bächen im Rahmen des Projekts Grünes Band Europa aus. Neben der Sicherung der Bestände der Flussperlmuschel steht hier die Verbesserung des ökologischen Zustands der Gewässer und deren Umfeld aus naturschutzfachlicher Sicht im Vordergrund. Neben den Informationen zum Grünen Band Europa erhielt die Exkursionsgruppe auch eine Führung durch die Perlmuschelzuchtanlage.

„Getreu dem Motto ´Grenzen trennen. Natur verbindet!´ arbeitet der BN an der Wiederherstellung von Ökosystemen entlang des Grünen Bandes Europa. Im EU-Projekt ´ReCo - Restore to Connect´ verstärken wir grenzüberschreitende ökologische Korridore“, so beschrieb Jörg Hacker sein Aufgabengebiet zu Beginn seiner Ausführungen. Nach und nach erschloss sich den Zuhörern, was er damit meinte.

Das Grüne Band: Vom Todesstreifen zur Lebenslinie

Fast 40 Jahre lang war Deutschland geteilt. Die innerdeutsche Grenze wurde mit hohen Mauern, Stacheldraht und Wachtürmen streng bewacht. Gleichzeitig gab sie der Natur eine Atempause: Der Grenzstreifen, meist zwischen 50 und 200 m breit, wurde zum Refugium für mehr als 1.200 seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten. Der BN hat dies schon vor dem Fall der Mauer erkannt und nach 1989 hier eines der größten und bedeutendsten Naturschutzprojekte geschaffen. Auf einer BN-Veranstaltung zum Grünen Band Deutschland, der Einweihung des LandArt-Projekts WestÖstliches Tor im Eichsfeld am 19. Juni 2002, verkündete der damalige Vorsitzende des BN in Bayern, Hubert Weiger, erstmals öffentlich seine Idee von einem Grünen Band Europa. Der als Ehrengast anwesende Michail Gorbatschow übernahm spontan die Schirmherrschaft für dieses Zukunftsprojekt.

Jörg Hacker stellte der Seliger-Gemeinde das Projekt vor: Das Grüne Band Europa verbindet heute über eine Strecke von 12.500 Kilometer hinweg Naturregionen entlang der Grenzen von 24 Staaten, darunter EU-Staaten und Nicht-EU-Staaten, von der Barentssee im Norden bis ans Schwarze Meer im Süden. Es ist der längste Biotopverbund Europas. Um die regionale Zusammenarbeit zu fördern, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen und die Koordination praktikabel zu gestalten, wurde das Europäische Grüne Band in vier Hauptabschnitte mit Regionalkoordinatoren aufgeteilt: Fennoskandien, Ostseeregion, Zentraleuropa und Balkan. Hier gab es zwar keine Anlagen, durch die Fluchtwillige effektiv an illegalen Grenzübertritten gehindert werden sollten, und auch keine mit der innerdeutschen Grenze vergleichbaren Zutrittsverbote. Folglich fiel an diesen Grenzen die Natur auch nicht in eine Art „Dornröschenschlaf“, der durch die Öffnung von Grenzen hätte beendet werden können. Sie blieb aus anderen Gründen weitgehend intakt. Auch entlang dieser Nebengrenzen des Grünen Bandes Europa werden Verbünde von Biotopen angestrebt.

2014 wurde bei der 8. paneuropäischen Konferenz der Initiative ein eigener Verein zum Schutz des Grünen Bandes Europa gegründet, die „European Green Belt Association e.V.“. Die von NGOs durchgeführten Schutzaktivitäten werden in der Regel durch Spenden finanziert. Darüber hinaus gibt es Förderprogramme und Schutzbemühungen von staatlicher Seite.

Neben dem Erhalt bedrohter Arten ist vor allem die barrierefreie Vernetzung verschiedener Gebiete eines der Hauptziele des Grünen Bandes. Dabei sollten bestehende Nationalparks und andere Schutzgebiete in das System des Grünen Bandes so integriert werden, dass ein Austausch zwischen Populationen und z. B. eine Wanderung von Tieren Bis heute gilt: Der Schutz des Grünen Bandes war und ist ein langwieriger und fortdauernder Prozess, der von vielen Einzelpersonen, Naturschutzverbänden, lokalen Initiativen der Erinnerungskultur, Politik und Verwaltung betrieben wird. Das Perlmuschelzuchtprojekt des BN in der Huschermühle sei eine dieser Initiativen, so Jörg Hacker.

Ehemaliger Grenzstreifen für Unesco-Welterbe nominiert

Hacker berichtete weiter, dass das Projekt seit Januar 2024 auf der deutschen Vorschlagsliste für das Unesco-Welterbe steht und damit offiziell im Rennen um eine Nominierung zur Aufnahme in die Liste des weltweiten Kultur- und Naturerbes ist. Denn neben dem Naturerbe hält das Grünen Band Deutschland auch ein großes kulturelles Erbe bereit. Es gibt vielerorts noch erhaltene Kolonnenwege sowie die früheren Wachtürme der DDR-Grenzposten. Zu sehen sind sie zum Beispiel an der Grenzgedenkstätte Point Alpha in Rasdorf (Fulda). Das Grüne Band sei dem Prädikat Welterbe der Menschheit absolut würdig, befand die Point Alpha Stiftung, die sich um das kulturelle Erbe der Grenzgedenkstätten kümmert. Die Würdigung durch die Unesco würde der Bedeutung der geschichtsträchtigen Orte am Grünen Band enormen Schub verleihen.

Als lebendiges Monument und Erinnerungslandschaft der deutschen und europäischen Geschichte für heutige und kommende Generationen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, ist am Grünen Band Zeitgeschichte unmittelbar erlebbar und Erinnerung möglich.

Wie an der innerdeutschen Grenze ist auch an der ehemaligen deutsch-tschechoslowakischen Grenze entlang des Eisernen Vorhangs vielfältiges Leben zurückgekehrt. Dieser einzigartige Raum des Naturschutzes ist zugleich eng verwoben mit der jüngeren politischen und gesellschaftlichen Geschichte Europas. Die Aufhebung der Teilung Europas gehört zu den glücklichsten Momenten unserer Geschichte.

„Was einst als brutale Grenze Deutschland und Europa teilte, kann heute Menschen verbinden. Das Grüne Band ist ein Mahnmal gegen unmenschliche Grenzen und gleichzeitig ein grenzüberschreitendes Projekt des Naturschutzes und der Erinnerungskultur, der Völkerverständigung und des geeinten Europas. Daher begrüße ich die Überlegungen, das »Grüne Band Europa« als UNESCO-Welterbe in den Kategorien Natur und Kultur zu nominieren“, so die damalige Umweltministerin Swenja Schulze (SPD) zu der geplanten Nominierung.

Das Grüne Band als Erinnerungslandschaft

„Nachhaltigkeit braucht Heimat. Das Grüne Band als Erinnerungsort und Chancen für periphere ländliche Räume“ war die bundesweite Tagung überschrieben, die der BN und der Deutsche Kulturrat in Zusammenarbeit mit dem EBZ Bad Alexandersbad 2020 organisiert hatten.

„Denn das Grüne Band hält die Erinnerung an den Mut der Menschen wach, die mit friedlichen Mitteln Diktaturen überwunden haben und Grenzen zu Fall brachten. Hier ist Zeitgeschichte erlebbar und Erinnerung möglich. Ein Ort auch für die kommenden Generationen, der an Demokratie, Freiheit und Frieden in unserem Land und in ganz Europa erinnert“, so der damalige Text zur Einladung.

Und weiter: „Am Grünen Band ist Zeitgeschichte unmittelbar erlebbar und Erinnerung möglich. Ein Ort auch für die kommenden Generationen, der an Demokratie, Freiheit und Frieden in unserem Land und in ganz Europa erinnert. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten, neue Begegnungsorte und attraktive Formen der Erinnerungskultur unterstützen, Menschen zusammenbringen und zeigen, dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind. Die Dialektik von Natur und Kultur ist die Stärke des Grünen Bandes“. Mitveranstalter war der damalige Bürgermeister von Bad ALexandersbad und heutige Landrat Peter Berek!

Auch die Seliger-Gemeinde hätte in dieser geplanten „Erinnerungslandschaft“ ihren Platz. Denn um die Gegenwart zu verstehen, muss man seine Geschichte kennen. Und für das Kulturerbe der sudentendeutschen und deutschen Sozialdemokratie hat die deutsch-tschechoslowakische Grenzregion vielfältige Ereignisse, Erinnerungsorte und Lebenswege anzubieten.

Koreanische "demilitarisierte Zone" (DMZ) und das Grüne Band

Und es gibt noch eine Querverbindung zur Seliger-Gemeinde: Unser südkoreanisches Mitglied Bea Suhyun hatte beim Jahresseminar 2022 über die Teilung seines Heimatlandes referiert. Ähnlich wie an der innerdeutschen Grenze gibt es an der Koreanischen Grenze einen entvölkerten Grenzstreifen.

Die koreanische "demilitarisierte Zone" (DMZ) teilt Korea seit 1953. Sie ist rund 250 km lang und 4 km breit. Im Süden schließt sich an die DMZ eine 6 bis 10 km breite zivile Kontrollzone mit beschränktem Zutritt und Nutzungsmöglichkeit an.

Im Bereich der DMZ und der zivilen Kontrollzone hat sich die Natur analog zum Grünen Band in Europa und Deutschland weitgehend ungestört entwickelt, so dass dieser Bereich heute Rückzugsraum für viele gefährdete Arten ist.

Von den 2.900 Arten, die in Nord- und Südkorea heimisch sind, finden sich 960 Pflanzenarten, 35 von 70 Säugetierarten und 64 Vogelarten in der demilitarisierten Zone, darunter einige stark gefährdete Arten wie der Mandschuren- oder der Weißnackenkranich.

Von südkoreanischer Seite werden seit Jahren mit internationaler Unterstützung Anstrengungen unternommen, diese wertvollen Bereiche für den Naturschutz zu sichern. Dies soll - ebenfalls analog zum Grünen Band - unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung kombiniert mit einer sanften touristischen Entwicklung erfolgen.

Vom Februar 2012 bis Februar 2017 fand im Rahmen diverser Workshops in Deutschland und Südkorea ein reger Erfahrungsaustausch statt.

In Hinblick auf das gemeinsame Anliegen, grenzübergreifende Kooperationen im Naturschutz zu stärken, bestehen auch weiterhin ein fachlicher Austausch und eine anlassbezogene Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern in Südkorea.

 
 

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