Frühjahrsseminar 2024

Veröffentlicht am 16.04.2024 in Allgemein

Vertriebene in der DDR – ein Ausstellungsbericht

Ulrich Miksch berichtete zum Ende des Seminar-Samstag über die Eröffnung der Wanderausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen „Stillgeschwiegen! – Die Vertriebenen in der SBZ und DDR“ am 5. März im Konferenzsaal des DDR-Museums in Berlin. Die Eröffnungsveranstaltung zu der Ausstellung „Stillgeschwiegen!“ war auf großes Interesse gestoßen und viele Gäste und Multiplikatoren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen waren anwesend. Zentrales Thema der Ausstellung ist das Schicksal der 4,3 Millionen deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) gelandet und dann in der DDR, in den heutigen fünf Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie Ost-Berlin, ihr Leben verbracht haben. Auf die damalige Gesamteinwohnerzahl der SBZ/DDR gerechnet, waren das etwa 25 Prozent der Bevölkerung.

 

Wie Ulrich Miksch berichtete, war die Geschichte der Vertriebenen im SED-Staat von zahlreichen Herausforderungen, aber auch von erstaunlichem Durchhaltevermögen, Lebens- und Leistungswillen und kreativen Anpassungen an das System geprägt. Der Verlust der Heimat, die Entwurzelung und gleichzeitig die Sehnsucht und Suche nach einer Heimat waren für sie, wie alle anderen, nicht nur eine logistische, sondern vor allem eine emotionale Herausforderung.

 

Das Schicksal der Vertriebenen in der SBZ und späteren DDR verlief anders als das der Vertriebenen in Westdeutschland. Die zwischen 1945 und 1990 aufgrund der geografischen Lage in der sowjetischen Besatzungszone angekommenen und sesshaft gewordenen Heimatvertriebenen durften sich weder in Selbstorganisationen vereinigen noch zum eigenen oder kollektiven Schicksal und seinen politisch-historischen Ursachen und Folgen artikulieren. Gesellschaftlicher Anpassungsdruck, „verordneter Heimatverzicht“ und eine auf Assimilation gerichtete Aufnahmestrategie gaben den Betroffenen keinen Raum für eine öffentliche Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal. Das Sprechen über und das damit verbundene Verarbeiten von traumatischen Fluchterfahrungen, Verlust der Heimat, Sehnsucht, gar Rückkehrgedanken waren den „Umsiedlern“ nur innerhalb der eigenen Familie vorbehalten oder wurden zaghaft in Literatur, Theater oder in Film- und Fernsehen versucht anzusprechen.

 

"Umsiedler" - verharmlosend und verleumdend war die Bezeichnung, die den Vertriebenen von der sowjetischen Militäradministration verordnet und von der DDR zur Beschreibung ihres Status benutzt wurde. „Flüchtling“ war als Begriff schon zugelassen, aber „Vertriebener“ war revanchistisch gebrandmarkt. Doch selbst der Begriff „Umsiedler“, wurde 1950 aus dem öffentlichen Sprachgebrauch mehr und mehr verbannt. Das Ziel war, über die Neuankömmlinge Stillschweigen zu bewahren und sie als Gruppe unsichtbar zu machen. Trotz Tabuisierung, Organisationsverbots und Observierung durch die Staatssicherheit, gelang es manchen Vertriebenen durch kleinere Treffen die Kontakte zueinander aufrecht zu erhalten. Uli Miksch: "Die Ausstellung spannt dabei den Bogen von den anfänglich noch möglichen Treffen in West-Berlin über Pfingsttreffen im Leipziger oder Hallenser Zoo, den Neubeginn als Neubauern, die in der Kollektivierung endete, das anfängliche Gewähren von Unterstützungen bis zur baldigen Streichung dieser Unterstützungen". 

 

Die Vertriebenen haben unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg an vielen Stellen geprägt – wirtschaftlich, kulturell und auch sozial. In der ehemaligen DDR ist darüber sehr lange nur wenig bis gar nicht gesprochen worden. Die Ausstellung „Stillgeschwiegen! - Die Vertriebenen in der SBZ und der DDR" trägt dazu bei, ihr Schicksal und ihre Leistungen sichtbar zu machen. In der Ausstellung kommen die betroffenen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, selbst zu Wort. Dabei finden sich ganz unterschiedliche Lebenswege und individuelle Schicksale. "Es ist gut und wichtig, mehr darüber zu erfahren und mehr darüber zu sprechen“, so Uli Miksch. Er hatte aber auch einen wichtigen Kritikpunkt anzubringen: "Die Ausstellung ist unglaublich Text lastig, die dargebotenen Informationen in ihrer Fülle sind gar nicht aufnehmbar!"

 

Bis heute fand eine emotionale und historische Aufarbeitung, die das subjektive Empfinden über die offizielle Negierung des traumatischen Leids berücksichtigt nur unzureichend statt. Bis heute verletzt dieses Defizit die Betroffenen, weil sie sich innerhalb der Gesellschaft und auch von staatlichen Stellen mit ihrem besonderen Schicksal noch immer nicht ausreichend wahrgenommen fühlen. Diese Tabuisierung wirkt bis heute nach.

 

Der Seliger-Gemeinde sind in den letzten Jahren auch einige Mitglieder aus der ehemaligen DDR beigetreten, die eine ganz andere „Vertreibungsgeschichte“ erzählen können, als sie traditionell im Westen gepflegt wurde. Es würde uns freuen, wenn noch mehr den Weg zu uns finden und dabei ihre Geschichte erzählen könnten", so Uli Miksch zum Ende seiner Ausführungen.

 

Die Ausstellung ist bis zum 20. April 2024 im Konferenzraum des DDR-Museums, St. Wolfgang-Straße 2-4, 10178 Berlin-Mitte zu sehen.  Der Eintritt ist kostenfrei. Danach wird die Ausstellung an verschiedenen Orten im Bundesgebiet zu sehen sein.

 
 

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