Ausstellung "Böhmen liegt nicht am Meer" - Regensburg

Veröffentlicht am 24.03.2023 in Allgemein

Jung und Alt bei der Ausstellungseröffnung der Seliger-Gemeinde in den Privaten Schulen Breitschaft. Mit dabei der ehemalige Bürgermeister Walter Annuß (vorne links), Zeitzeuge Erwin Hadwiger (vorne 2.v.li.), Rainer Pasta (stehend links), Schulleiterin Barbara Kasberger (stehend 4.v.li.) mit Geschäftsführer Martin Schedlbauer (vorne 2.v.re) und Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a sowie die Lehrerinnen Jitka Krivkova (stehend 2.v.l.) und Eva Macháčkova (stehend 3.v.li) mit Schülerinnen und Schüler des Anglické Gymnasium Pardubice.

 

"Engagiere auch Du Dich für Freiheit und Demokratie"

Seliger-Gemeinde zeigt Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer – Lebenswege sudetendeutscher Sozialdemokraten“ in den Privaten Schulen Breitschaft

Die Aktionswochen „Gegen das Vergessen“ der Privaten Schulen Breitschaft gehen weiter. Direkt nach der Ausstellung zur Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ zeigt die Schule nun die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer – Lebenswege sudetendeutscher Sozialdemokraten“ der Seliger-Gemeinde. 20 Beispiele sudetendeutscher Sozialdemokraten, die in schwerer Zeit vorlebten, was bis heute und auch für unsere Zukunft gilt: Engagiere auch Du Dich für Freiheit und Demokratie. Die Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie muss immer wieder neu errungen und verteidigt werden.

„Die Aktionswochen „Gegen das Vergessen“ bieten unseren Schülerinnen und Schülern, zu einer Zeit in der wir zusammen große gemeinsame Aufgaben werden lösen müssen, Halt und Orientierung “, so Schulleiterin Barbara Kasberger bei der Ausstellungseröffnung am gestrigen Mittwoch. Die Ausstellung ist noch bis Ende des Monats montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr und freitags von 9 bis 14 Uhr in den Räumen der Schule in der Salzburger Gasse 1 in Regensburg zu sehen.

Schulleiterin Barbara Kasberger konnte neben Mitgliedern der Seliger-Gemeinde und Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a auch eine Schülergruppe aus dem tschechischen Pardubice begrüßen. Die Gymnasiasten sind derzeit mit zwei Lehrerinnen im Schüleraustausch in den Privaten Schulen Breitschaft in Regensburg. Barbara Kasberger freute sich, dass die Ausstellung an ihrer Schule gezeigt werden kann und dankte der Seliger-Gemeinde für ihr Engagement. Die Schulleiterin erklärte kurz, dass die Seliger-Gemeinde die Nachfolgeorganisation der sudetendeutschen Sozialdemokratie sei und nach ihrem ersten Vorsitzenden Josef Seliger benannt worden ist. Sie verwies abschließend auf die Zielsetzung der Ausstellung, die das Erinnern an eine längst vergangene Zeit mit dem Bezug zum heute mit einem Aufruf sich für die Demokratie stark zu machen verbindet.

Walter Annuß, ehemaliger Bürgermeister von Regensburg und Mitglied der Seliger-Gemeinde hielt seine Ansprache in fließendem Tschechisch. Annuß verwies auf die schicksalshafte Geschichte beider Länder, berichtete über die Kämpfe der sudetendeutschen Sozialdemokraten Seite an Seite mit den Tschechen gegen die Nazis und erklärte die Folgen des Münchner Abkommens bis hin zur Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Erwin Hadwiger, ebenfalls Seliger-Gemeindemitglied aus Lappersdorf, konnte eindrucksvoll als Zeitzeuge die Fragen der Schülerinnen und Schüler zu den Erlebnissen seiner Familie bei der Vertreibung 1945, er selbst war damals 2 Jahre alt, anschaulich beantworten.

Ausstellung vermittelt Geschichte und stellt den Bezug zum Heute her

Rainer Pasta, einer der Ausstellungsmacher führte anschließend in die Ausstellung ein. Hierzu gab er zuerst einen Exkurs in die Geschichte der Sudetendeutschen ab dem 1. Weltkrieg, der von Eva Macháčkova ins Tschechische übersetzt wurde. Sein Augenmerk legte er auf die Besonderheit, dass die sudetendeutschen Sozialdemokraten, zwar nach anfänglichen Protesten, sich in den neuentstandenen Staat einfügten und als Regierungspartei das Beste für die deutsche Minderheit in der 1. Tschechoslowakischen Republik erreichen wollten. Weltwirtschaftskrise und zunehmender Nationalismus aber auch die Ignoranz der Tschechen gegenüber dem Leid der Deutschen, so Pasta, hätten diese Bemühungen aber zum Scheitern verurteilt. Hatten die sudetendeutschen Sozialdemokraten noch deutschen und österreichischen Genossinnen und Genossen bei der Flucht vor den Nazis geholfen und den Widerstand jenseits der Grenze unterstützt, so gerieten sie selbst spätestens nach dem Münchner Abkommen und der Besetzung des Sudetenlandes ins Visier der Gestapo. Flucht und Exil retteten einige vor Verhaftung und KZ, ja vor dem Tode, so Pasta weiter.

Hier setze nun die Ausstellung an, so Rainer Pasta, und zeige exemplarisch an ausgesuchten Biographien die Wege ins Exil oder ein bitteres Ende durch Mord oder Suizid. Der Referent vergaß nicht zu erwähnen, dass die Vertreibung der Deutschen auch die heimgekehrten Exilanten unbarmherzig traf. Anschließend griff Pasta nochmals die dargestellten Themen auf und rückte den Blick auf die heutige Situation, wo erneut Flucht und Vertreibung ein wichtiges Thema sind: „Vor allem für uns, die wir den betroffenen Menschen eine neue Heimat bieten müssen, wobei wir in einer doch viel besseren Position als nach dem Krieg in einem zerstörten Land sind“. „Wie das Meer keine festen Grenzen kennt, mussten die Geflohenen auf ihren grenzüberschreitenden Wegen nach einer neuen Heimat in Europa und der Welt suchen“, verwies Pasta auf den Titel der modernen, vor allem junge Leute ansprechenden Ausstellung und auf die Duplizität der Geschehnisse 1938 und heute.

Reinhold Hoyer – ein Beispiel aus Regensburg

Um den regionalen Bezug herzustellen präsentierte Rainer Pasta einen weiteren Lebensweg: Der am 6. Februar 1913 im Weiler Leibitschgrund an der Eger geborene Reinhold Hoyer war Mitglied der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) und der Roten Wehr, einem Kampfverband aus Tschechen und Deutschen, der gegen die Nazi-Kampfverbände bis Oktober 1938 die Tschechische Republik verteidigte. Als 1938 im Zuge des sog. Münchener Abkommens die sudetendeutschen Gebiete an das Altreich angeschlossen wurde, wurde Hoyer mit seinem Bruder und seinem Schwager durch das Sudetendeutsche Freikorps und der reichsdeutschen Gestapo mehrmals verhaftet und schließlich in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nach seiner Entlassung wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Heimkehr wurde er 1946 als anerkannter Gegner des Nationalsozialismus im Rahmen eines sog. Antifa-Transports ausgesiedelt kam in die Oberpfalz. Reinhold Hoyer wurde Öffentlicher Ankläger der Lagerspruchkammer Regensburg die die Entnazifizierung durchführte. Anschließend arbeitete er als Hauptsekretär am Regensburger Sozialgericht. Bald nach seiner Ankunft in Regensburg trat er der SPD bei und war von 1967 bis 1972 Regensburger Stadtrat. Reinhold Hoyer starb im Juni 1977 an einem Herzinfarkt.

 
 

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