Arbeiter-Olympiade in Frankfurt 1925

Veröffentlicht am 27.07.2024 in Allgemein

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Olympia 1924/25

Wer die Eröffnung der Olympischen Spiele 2024 in Paris verfolgte, vernahm immer wieder den Verweis auf die Olympischen Spiele 1924 – ebenfalls in Paris. Dabei sollte man aber nicht die Arbeiter-Olympiade 1925 in Frankfurt als Gegenveranstaltung der Arbeitersportbewegung zur bürgerlichen olympischen Bewegung von Pierre de Coubertin vergessen. Zu sehr standen aus Sicht des Arbeitersports Konkurrenzdenken und Nationalismus im Mittelpunkt der bürgerlichen olympischen Spiele. Der Wettkampf der Nationen wurde als „Krieg mit sportlichen Mitteln“ gesehen.

Im Vordergrund der Arbeitersportbewegung standen deshalb nicht in erster Linie Kampfgeist und Siegeswillen, sondern sportliche Kameradschaft und körperliche Ertüchtigung im Dienste der Gesundheit. Es gab deshalb lange Zeit keine gemeinsamen Veranstaltungen und auch keine Wettkämpfe zwischen Vertretern der beiden Gruppen. An Olympischen Spielen und internationalen Veranstaltungen der offiziellen, staatlich getragenen Verbände nahmen nur Sportler der bürgerlichen Verbände und Vereine teil.

Wegen der Nichtteilnahme an den Olympischen Spielen führten die Arbeitersportler als "sozialistischen Gegenentwurf" eigene "Arbeiter-Olympiaden" durch, ebenfalls aufgeteilt in Sommer- und in Winterspiele. Nach dem Ausschluss Deutschlands von den Olympischen Spielen 1924 in Paris sollte die Arbeiterolympiade nicht nur als Ausdruck sportlicher Interessen gelten, sondern auch zum Zeichen einer Protesthaltung gegenüber diesem Ausschluss werden. Schauplatz der 1. Arbeiter-Olympiade war im Jahre 1925 deshalb auch Deutschland – im Winter das Wintersportzentrum Schreiberhau im Riesengebirge (heute Szklarska Poręba, Polen), im Sommer Frankfurt am Main.

Auf nach Frankfurt

Der Aufruf zur 1. Arbeiterolympiade liest sich im Originaltext so: „An die Proletarier aller Länder! Werte Genossen! Der internationale Arbeiterverband für Sport- und Körperkultur hat die Ehre, zu Ihrer Kenntnis zu bringen, dass er Ende Juli 1925 in Frankfurt am Main die Erste Internationale Arbeiter-Olympiade abhält. Unser internationaler Verband, der 1,300.000 Mitglieder zählt in 17 Landesverbänden, will der Frankfurter Olympiade einen grandiosen Charakter verleihen. Wir wollen, dass diese internationalen Sport-Manifestationen eine Demonstration werden, mit der gezeigt werden soll, wie wir den Arbeitersport verstehen. Wir wollen ferner diese einzigartige Gelegenheit benutzen, um im wahrsten Sinne für den Völkerfrieden zu wirken.“

Der Arbeiterolympiade in Frankfurt im Juli 1925 gingen vom 31. Jänner bis zum 2. Februar die Winterspiele in Schreiberhau im Riesengebirge voran. Es war für die meisten der Teilnehmer nicht leicht, sich die Reise und die Sportausrüstung leisten zu können. Eine kleine aber erfolgreiche Abordnung aus Österreich schaffte es und zeigte auch gute Leistungen. Man muss berücksichtigen, dass in Österreich der Großteil der Arbeitersportler in den Städten und Industriezentren beheimatet war. In den Bergregionen betrieben vor allem bürgerliche Vereine den Schilauf.

Wie es schon im Aufruf zu diesem Sportfest zum Ausdruck kam stand nicht nur der sportliche Wettkampf im Mittelpunkt. Die Betonung des Friedens, des internationalen Charakters wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass dieses Fest nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stattfand. Nur wenige Jahre nach einer massiven Kriegspropaganda, in der die Nationen Europas gnadenlos gegeneinander aufgehetzt und schließlich aufs Schlachtfeld geschickt wurden. Ein ergreifender Beitrag aus dem Buch „Illustrierte Geschichte des Arbeitersports“ erzählt abseits von Zahlen von den persönlichen Erinnerungen eines Teilnehmers.

„Eine der schönsten Erinnerungen Paul Schusters gehört einem Wuschelkopf, einem Berg von schwarzem Kraushaar, der ein ganzes Stadion in Jubel ausbrechen ließ. Der junge Frankfurter Arbeitersportler saß mit 40.000 Zuschauern auf der Tribüne des Waldstadions, als die französische Delegation einmarschierte, und vorneweg diese kleine Französin mit dem nie gesehenen Wuschelkopf. ,Das sollen unsere Erbfeinde sein?‘, schoss es ihm durch den Kopf. ,Nie und nimmer!‘ Tausenden erging es wie ihm, sie ließen ihren Freudentränen fließen und lagen sich in den Armen. … ,Wir erlebten wie Frieden sein kann‘, ein Fest für Menschen, auf die wir ein paar Jahre früher hätten schießen müssen.“

In vielen anderen Bereichen zeigte die Arbeitersportbewegung was sie den Menschen bieten und vermitteln wollte. So bestand das Abendprogramm aus Hochkultur mit künstlerischen Darbietungen wie etwa der Ouvertüre zu „Meistersinger“, Mozarts Zauberflöte, vorgetragen von 1.200 Mitgliedern des Arbeitersängerbundes. Beim „Menschheits-Weihespiel“ im Stadion wurde der „Kampf um die Erde“ dargeboten.

40.000 Zuschauer und Zuschauerinnen fanden in dem wenige Tage vor der Olympiade eingeweihten „Frankfurter Waldstadion“ Platz, in denen die Sportveranstaltungen ausgetragen wurden. Über 100.000 Zuschauer und Zuschauerinnen verfolgten die Wettkämpfe der 3.000 Sportlerinnen und Sportler aus zwölf Ländern unter anderem aus Deutschland, England, Finnland, Tschechoslowakei, Schweiz, Lettland, Österreich, Belgien und Polen… Hinzu kamen Vertretungen der Arbeitersport-Organisationen aus dem Sudetenland und der Freien Stadt Danzig. Sie alle marschierten ohne Fahnen oder andere nationale Abzeichen unter den Klängen der Internationale in das neue Waldstadion ein.

Neben dem Arbeiter-Turn- und -Sportbund hatte der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität, mit über 300.000 Mitgliedern die größte Radfahrer-Organisation weltweit, wesentlichen Anteil an der Organisation der Veranstaltung. Neben den Wettkämpfen in Fußball, Wassersport oder Turnen gehörte zu der Arbeiterolympiade ein „Tag der Massen“, bei dem sich Vertreter der verschiedenen Gruppen des Arbeitersports präsentierten. Auch Massenfreiübungen gehörten dazu. Insgesamt waren wohl 100.000 Arbeitersportler beteiligt– mehr als jemals zuvor oder danach bei einer bürgerlichen Veranstaltung.  Das Reglement der proletarischen Spiele schrieb vor, dass Länder, die sich an den allgemeinen Freiübungen nicht beteiligten, von der Arbeitersportolympiade ausgeschlossen würden.

Mit ca. 450.000 Zuschauern und Festteilnehmern war die Arbeiterolympiade ein eindrucksvoller Erfolg für den Arbeitersport. Im Vergleich zur Olympiade in Paris, an der insgesamt 44 nationale Verbände teilnahmen, war die Verbandszahl für die Arbeiterolympiade zwar deutlich geringer, trotzdem war das sportliche Niveau, das in Frankfurt geboten wurde, recht hoch. Neben nationalen Rekorden konnten auch Weltrekorde verzeichnet werden.

Die internationale Zusammenarbeit ebnete den Weg zu weiteren Arbeiterolympiaden: 1931 in Österreich und im Jahr 1937 im niederländischen Antwerpen und im tschechischen Janské Lázně – allerdings ohne deutsche Beteiligung. Mit dem Verbot sozialistischer Organisationen setzte das nationalsozialistische Regime der weiteren Entfaltung der Arbeitersportbewegung 1933 ein jähes Ende.

 
 

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