Spurensuche: Wer war Leo Freundlich (1875–1954)?

Veröffentlicht am 28.07.2021 in

Der sozialdemokratische Journalist Leo Freundlich (1875–1954)

In seinem beachtenswerten Beitrag zu den Marienbader Gesprächen 2021 unter dem Titel „Vertreibungen und Umsiedlungen im 20. Jahrhundert im Rahmen der Balkankriege – Auswirkungen auf die heutige Zeit“ erinnerte Bernd Posselt an den Sozialdemokraten Leo Freundlich, der mit einem kleinen Buch in dem er die Gräueltaten der Serben gegenüber den Albanern im Balkankrieg 1912-13 beschrieb, einen Völkermord beendete. Grund genug, sich auf die Spurensuche nach diesem Leo Freundlich zu machen.

Das Osmanische Reich, das fünfhundert Jahre lang im Kosovo herrschte, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Begriff auseinander­zubrechen und sich aufzulösen. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen, die auf dem gesamten Balkan stattfanden, griffen serbische Truppen den Kosovo an und besetzten es für Serbien. Dabei versuchten sie, das Gebiet - mit entsetzlichen Folgen - von seiner einheimischen, albanisch-sprachigen Bevölkerung zu säubern. Das kleine Buch 'Albaniens Golgatha', das die Großmächte dazu zwang den Völkermord an den Albanern zu beenden, ist im Wesentlichen eine Zusammenstellung von Presseberichten aus dem Kosovo während der Balkankriege 1912-1913. Das Dokument erklärt detailliert die massiven Massaker, Vergewaltigungen, Vertreibungen, Folterungen und Misshandlungen, denen albanische Zivilisten durch die serbische Armee und Tschetnik-Paramilitärs ausgesetzt waren. Das Buch beschreibt die Methoden der ethnischen Säuberung, mit denen die albanische Bevölkerung in Mazedonien, Nordalbanien und im Kosovo vertrieben wurde. Die Berichte wurden von der Internationalen Kommission zur Untersuchung der Ursachen des Balkankrieges bestätigt.

Leo Freundlich, 1930s Leo Freundlich

Der Verfasser dieser bewegenden Schrift, Leo Freundlich (1875 - 1953), war ein sozialdemokratischer Politiker und Publizist aus dem alten Österreich-Ungarn, der lange Jahre in Deutschböhmen tätig war.

Bekannt ist, dass Freundlich in eine wohlhabende Fabrikanten-Familie jüdischer Herkunft im südpolnischen Bielitz-Biala ( Galizien) geboren wurde und nach dem Besuch des Gymnasiums das Studium der Rechtswissenschaft ohne Abschluss beendete.

Er entwickelte sehr früh eine Leidenschaft für die Ideale des Sozialismus. Im böhmischen Aussig/Ústi nad Labem war er bis 1899 als Beamter der Brüxer Bergbaugesellschaft und linker Redakteur tätig. Hier lernte er seine Frau, Emmy Kögler (1878-1948), Tochter des verstorbenen Bürgermeisters der Stadt, kennen. Das Paar brannte durch und heiratete im schottischen Gretna Green in Jahre 1900 und ließ sich anschließend in Mährisch-Schönberg/Šumperk nieder, das Leo im Jahre 1907 im Reichsrat vertrat. Freundlich wurde Mitglied im Klub der deutschen Sozialdemokraten im Verband der sozialdemokratischen Abgeordneten.

Emmy und Leo Freundlich, beide politisch sehr aktiv, nahmen an der Gründung des Konsumvereins teil und hielten öffentliche Vorträge, um Unterstützung für den Sozialismus zu wecken. Leo Freundlich wurde stolzer Verleger der erfolgreichen, linksgerichteten Zeitung 'Volkswacht,' in der seine Angriffe gegen die katholische Kirche ihm wiederholt Schwierigkeiten und auch einmal drei Wochen "strengen Arrest" einbrachten. Im Jahre 1910 kamen die Zeitung und der örtliche Konsum in finanzielle Schwierigkeiten, und nach der Niederlage der deutschen Sozialisten in Nordböhmen musste er im Jahre 1910 den Reichsrat verlassen. 1911 übersiedelten die Freundlichs nach Wien, wo Leo 1912-1918 Herausgeber der „Albanischen Korrespondenz“ wurde.

Zusammen mit den beiden Töchtern ging Emmy Freundlich nach Meran und ließ sich scheiden. Danach pflegte das Paar keinen Kontakt miteinander, obwohl Leo seine Kinder weiterhin besuchte. Mit ihren engen Beziehungen zu den führenden Sozialdemokraten um Karl Renner und zu internationalen Genossenschafterinnen in Wien wurde Emmy Freundlich zu einer bekannten Publizistin und Politikerin der österreichischen Genossen­schafts­bewegung, Mitglied der österr. konstituierenden Nationalversammlung und 1920-1934 des Nationalrats. In den Jahren 1921-1948 war sie Präsidentin der internationalen genossenschaftlichen Frauengilde.

Nach der albanischen Unabhängigkeitserklärung November 1912 Leo Freundlich eine bedeutende Rolle bei der "Neuentdeckung“ Albaniens und der Albaner. Tag für Tag sammelte er entsprechende neueste Nachrichten vom Unruheherd Balkan und verteilte sie an einen ausgesuchten Kreis. Sie bot dem Leser eine Vielfalt an Informationen zu den kritischen Ereignissen im und um den albanischen Siedlungsraum in dem bewegten Jahr vor dem Ersten Weltkrieg.

Während der Jahre 1912-1914 kam es auf dem Balkan zu besonders schweren Verbrechen gegen das albanische Volk. Leo Freundlich dokumentierte diese Verbrechen, die mittlerweile in Vergessenheit geraten sind, in seinem Buch. 'Albaniens Golgatha' ist im Wesentlichen eine Zusammenstellung von nationalen und internationalen Presseberichten aus den albanischen Gebieten während der Balkankriege 1912-1913.

Es wird von einem schrecklichen Massaker berichtet, welche Tausende Albaner das Leben kostete. Es wird beschrieben, wie serbische Truppen ganze albanische Dörfer im Kosovo in Brand setzten und die Menschen in ihren Häusern erschossen. Die Berichte zeigten auf, dass die Serben einen schrecklichen Genozid am albanischen Volk begehen.

Aufgrund der Veröffentlichung der Beweise für den Völkermord zwangen die Großmächte schließlich die serbischen Streitkräfte aus dem neuen unabhängigen Albanien. Der Kosovo blieb jedoch innerhalb des Königreichs Serbien, das nach dem Großen Krieg weiteren Gräueltaten verübte. Es wird geschätzt, dass 120.000 Albaner jeden Alters und beiderlei Geschlechts während und nach der serbischen Invasion ermordet wurden.

Nach der Veröffentlichung von 'Albaniens Golgatha' im Jahre 1913 diente Leo Freundlich im ersten Weltkrieg als Soldat im österreichisch-ungarischen Heer in Albanien. Nach Bekanntschaft mit Ahmet Zogu (1895-1961) in Wien, der sich später zum König der Albaner (1928-1939) ernennen ließ, trat Freundlich in dessen Dienst ein, und fungierte in der österreichischen Hauptstadt als Honorarkonsul des Königreichs Albanien. In dieser Eigenschaft half er in den dreißiger Jahren, die Handelsbeziehungen zwischen Albanien und dem Deutschen Reich zu fördern. Freundlich war auch albanischer Presseattaché in Wien. Es wird berichtet, dass er dem ihm verhassten Hitlergruß mit einem ironischen "Heil Zogu" begegnete und sich dabei über die Verwirrung seiner deutschen Gesprächspartner amüsierte, die glaubten, dies sei eine in Albanien allgemein gültige Begrüßungsform.

Als das Leben für die Juden in Wien unerträglich wurde, flüchtete Freundlich 1938 nach Albanien und weiter in die Schweiz, wo er in Genf die albanische Mission beim Völkerbund leitete. Im Jahre 1939 flüchteten auch seine Töchter aus Wien und wurden vom Vater aufgenommen. Leo Freundlich, der ein zweites Mal geheiratet hatte, blieb während des Zweiten Weltkrieges in Genf, wo er verarmt lebte und von seinen Töchtern aus London und später aus Amerika finanziell unterstützt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der kommunistischen Machtübernahme in Albanien weiß man noch, dass Freundlich einen Brief an den damaligen albanischen Ministerpräsidenten Koçi Xoxe (1917-1949) schrieb, mit der - wohl abgeschlagenen - Bitte, wieder zum Honorarkonsul in Wien ernannt zu werden.

Leo Freundlich starb am 12.Februar 1953 in Thônex, Kanton Genf, Schweiz.

Die Kosovo-Albaner erlebten in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts weiterhin Völkermord durch serbische Tschetniks und der Hass zwischen Albanern und Serben wuchs. Nach einer Beruhigung im Nachkriegsjugoslawien brachen die Feindschaften nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 wieder aus. Dieser Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien mündete in einen verheerenden und sich über Jahre hinwegziehenden Bürgerkrieg.

Einen schaurigen Höhepunkt erreichte die Eroberung der ostbosnischen Stadt Srebrenica im Juli 1995 - damals »UN-Schutzzone« - wo die Serben 8000 moslemische Männer ermordeten.

Nach jahrelanger Unterdrückung begann im Februar 1998 die systematische Vertreibung von Albanern aus dem Kosovo (serbische Provinz, Bevölkerungsanteil der Albaner rund 90 Prozent), die ein Jahr später eine Intervention der NATO auslöste. Hunderttausende von Albanern flohen, die Zahl der Toten ist unklar. Inzwischen wurden mehrere Massengräber entdeckt.

Ein Einsatz der NATO, der vom 24. März bis zum 9. Juni 1999 dauerte, beendete den Konflikt. Der gegenwärtige völkerrechtliche Status des Landes ist weiterhin umstritten. Am 17. Februar 2008 proklamierte das kosovarische Parlament die Unabhängigkeit des Territoriums. 115 der 193 Mitglieder der Vereinten Nationen erkennen die Republik Kosovo als einen unabhängigen Staat an.

 
 

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