seliger-online 27.05.2024 - Abendschule

Veröffentlicht am 03.06.2024 in Allgemein

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Geschichte des sudetendeutschen Arbeiterfußballs      

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Ende der 1890er Jahren war in den Böhmischen Ländern auch der Fußball aufgekommen. Es gründeten sich die ersten tschechischen und deutschen Klubs, die allerdings alle bürgerlich waren. Nur wenige Arbeiter hatten genügend Freizeit, um sich Turnen und Sport zu widmen. Der Fußball in den Arbeitervereinen hatte von daher eine gewisse Verspätung. Ein erstes Arbeiterfußballspiel fand 1914, nur wenige Wochen vor dem Ersten Weltkrieg, auf einem Kreisturnfest in Teplitz statt. Der Krieg sollte die Fußballbewegung stärken, sowohl die bürgerliche als auch die der Arbeiter.

Der Anspruch war, Sport im Sinne der Arbeiterbewegung durchzuführen. Abgelehnt wurden Profisport, Wettbewerbseifer und unsolidarisches Verhalten. Zum Sieger sollte nicht der Beste werden, sondern der, der den Sport solidarisch mit seinen Klassengenossen betreibt. Dieses Prinzip galt auch für den Arbeiterfußball, der im ATUS zu einer der stärksten Sparten werden sollte. Er wurde auch zu einem Publikumsmagnet. Spiele der ATUS-Auswahl, die als Team Tschechoslowakei an den Arbeiterfußballeuropameisterschaften und an den großen Arbeiterolympiaden (Frankfurt am Main 1925, Wien 1931 und Antwerpen 1937) teilnahmen, wurden von tausenden von Zuschauern verfolgt. Neben der ATUS-Auswahl wurde die 1914 im Teplitzer Vorort Weißkirchlitz (Teplice-Novosedlice) gegründete „Gleichheit“ zu einem Aushängeschild des deutschen Arbeiter-fußballs in der Tschechoslowakei, im In- und Ausland. Der Klub gewann mehrmals den Titel des Bundesmeisters des ATUS, stellte für viele Jahre den Kern der Verbandsauswahl und unternahm viele erfolgreiche Spielreisen durch Deutschland.

Der Beginn des deutschen Arbeiterfußballs in den Böhmischen Ländern lässt sich genau datieren: auf den 6. Juni 1914. An diesem Tag kam es im Rahmen eines Arbeiterturnfestes in Teplitz zu einer ersten Begegnung zweier Arbeitermannschaften. Dieses Turnfest wurde zur Geburtsstunde von Gleichheit Weißkirchlitz. Die Mannschaft konnte das Match gegen eine Auswahl aus Aussig klar mit 6:0 für sich entscheiden.

Die Bedeutung des Fußballs und anderer Sportarten wird auch daran erkennbar, dass sich 1919 ein Arbeiter- Turn- und Sportverband gründete. Im ATUS war es dann vor allem die Fußballsparte, die einen großen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen hatte. Der Aufstieg der Fußballer wurde von den Turnern kritisch gesehen. Fußball galt vielen als zu unsolidarisch und hart. Arbeiterturner wollten Sport gemeinschaftlich und in Freundschaft treiben. Das Siegstreben im Fußball passte nicht hierzu. Fußballer galten zudem als undiszipliniert, da sie allein Interesse am Ball hätten, nicht aber an den Zielen der Arbeiterbewegung.

Letztlich sollte es aber primär um das klassische Fußballspielen gehen. In den Kreisen des ATUS wurden im Ligasystem Meister ermittelt. Anschließend wurde in einem Finale der Bundesmeister ermittelt. Arbeiterfußball gab es vor allem im nordböhmischen und nordwestböhmischen Kreis des ATUS.

Bereits früh formierte sich im ATUS eine Verbandsauswahl. Diese trat in den 1920er Jahren als Team Tschechoslowakei an, da es im tschechischen Arbeitersport keinen Fußball gab. Um sich aber doch mit anderen Arbeiterklubs messen zu können, führten viele Vereine Auslandsreisen durch, vor allem nach Deutschland und Österreich. In der Tschechoslowakei spielte man gegen die Klubs der Vereinigung für Körperertüchtigung und Kultur (STAK) und die Red Star Clubs. In den letzten Jahren der Tschechoslowakischen Republik wurde auch vermehrt gegen Armeemannschaften gespielt, womit man seine Loyalität zum Land zum Ausdruck brachte.

1925 errangen die Spieler der Gleichheit noch höhere Weihen. Auf dem Platz des Teplitzer Fußballklubs fand im September das erste Arbeiterländerspiel zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland statt. Der Prager „Sozialdemokrat“ bezeichnete die Begegnung am 27. September als „Merkstein auf dem Wege der körperlichen Emanzipation des klassenbewussten Proletariats“ und hieß die Genossen aus Deutschland auf „sudetendeutschem Boden“ willkommen. Von den elf Spielern des ATUS-Teams der Tschechoslowakei stammten allein sieben aus Weißkirchlitz. Gleichheit stellte zudem seine weiß-blauen Trikots für das Länderteam zur Verfügung. Das Völkerverbindende des Arbeiterfußballs gewann zusehends an Bedeutung. 1926 setzte die Gleichheit die Spieltätigkeit im Ausland fort.

Ende der 1920er Jahre wurden die Kontakte zum tschechischen Arbeitersport immer stärker. So wurde die Anfang Juli 1927 in Prag durchgeführte Zweite Arbeiterolympiade der tschechischen Dělnická tělocvičná jednota (Arbeiterturnverband, DTJ). Obwohl dieser Verband den Fußballsport ablehnte und daher auch nicht betrieb, wurde trotzdem auf der Olympiade ein Fußballturnier durchgeführt, in dessen Rahmen das Länderteam der Tschechoslowakei, also die Auswahl des ATUS, am 4. Juli auf dem Platz von Sparta Prag auf die Mannschaft Rumäniens traf. Die Tschechoslowakei spielte nicht nur in den Trikots von Gleichheit, sondern hatte gleich sieben Spieler dieses Klubs in ihren Reihen. Ein weiterer Höhepunkt des Jahres und wahrscheinlich der größte Erfolg der als „Tschechoslowakei“ spielenden Auswahl des ATUS war der Sieg in einem Länderspiel in München gegen die Arbeiternational-mannschaft Deutschlands. Sieben Spieler von Gleichheit trugen hier zum 3:2-Erfolg bei.

Unbestrittener Höhepunkt des sudetendeutschen Arbeiterfußballs war aber die Teilnahme an der durch die Sozialistische Arbeitersportinternationale organisierte Arbeiterfußballeuropa-meisterschaft 1932. Hierbei konnten beachtliche Ergebnisse erzielt werden, wenngleich die Teams aus Deutschland und Österreich deutlich stärker waren. Die Europameisterschaft musste mit dem Ende der deutschen und der österreichischen Arbeiterbewegung abgebrochen werden. Die Verbandself des ATUS spielte aber noch weiter, etwa gegen eine jüdische Arbeiterauswahl aus Palästina. Und noch 1938 fuhr die ATUS-Mannschaft zu Spielen nach Paris, um dort im gleichen Hotel zu wohnen wie die brasilianische Nationalmannschaft, die an der WM 1938 in Frankreich teilnahm. So nah beieinander konnten die unterschiedlichen Fußballwelten liegen, weswegen es heute sehr wichtig ist, den Arbeiterfußball nicht zu vergessen, wenn es darum gehen soll, die Geschichte des Fußballs zu erzählen.

Mit dem Anschluss des Sudetenlandes an das Dritte Reich im Zuge des Münchener Abkommens 1938 fand auch die sudetendeutsche Arbeitersportbewegung ihr Ende. Die Sportstätten des ATUS wurden konfisziert. Zahlreiche Arbeitersportler wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Nach Krieg, Vertreibung und Aussiedlung wurde die Arbeitersportbewegung nicht wieder erneuert. Was somit vom großen sudetendeutschen Arbeitersport blieb, waren gelegentliche Treffen und Erinnerungsveranstaltungen.   

Thomas Oellermann

Diese Ausgabe der Abendschule kann jederzeit als Podcast nachgehört werden.

Die Veranstaltung fand mit großzügiger Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages statt.

 
 

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