Auf den Spuren der Urlaubsreiseorganisation (URO) der DSAP

Veröffentlicht am 20.09.2021 in Allgemein

"Privatstrand des Hotels Miramar" in Opatija

Politik und Tourismus

„Ungern scheiden alle von Italien, obwohl das faschistische Regime, das man selbst in den wenigen Tagen spürt, keinen begeistert. Im Gegenteil! Also dass es den URO-Reisenden in der „Villa Salus“ in Abbazia so ausgezeichnet gefällt, liegt nicht am Faschismus, es liegt an der herrlichen Natur, an dem prächtigen Klima und an den Impressionen, den guten Eindrücken“. - Ein Zitat aus einem Reisebericht nach Abbazia in dem sich die Frage widerspiegelt, wie verantwortungslos es von der URO war, Reisen in das faschistische Italien anzubieten.
 

Doch diese Frage stellte sich nicht nur in den 1930er Jahren sondern ist heute so aktuell wie damals: Wie problematisch ist es, in einer „noblen Hotelanlage unter Palmen einen Cocktail zu trinken und draußen vor der Mauer leben die Menschen in Unfreiheit“. Sollte man manche Urlaubsziele aus politischen Gründen meiden? Der Deutsche Reiseverband rät davon ab. Tourismus leiste einen wichtigen Beitrag zur ökonomischen und politischen Stabilität in solchen Ländern. Fest steht: Bei den Kunden großer Reiseveranstalter spielt das Thema Menschenrechte nicht unbedingt eine Rolle.

Natürlich: Wer zu strenge Kriterien anlegt, kann am Ende nirgendwo mehr hinfahren. Ungarn, Polen, Russland, China, Philippinen, Kambodscha – die Liste der Länder, die die Menschenrechte in mehr oder minder großem Umfang missachten oder verletzen, ließe sich zwanglos fortführen. Andererseits ist es doch auch erstaunlich, wie wenig die Menschenrechtslage die Reiseentscheidung beeinflusst.

Die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Mittelmeerraum scheinen ebenfalls keine Auswirkungen auf das Reiseverhalten zu haben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kann nach Gutdünken Tausende Menschen wegen ihrer vermeintlichen politischen Ansichten inhaftieren, und trotzdem erlebt der Tourismus gerade in diesem Jahr einen nie dagewesenen Boom. Ebenso wenig hielt Mateo Salvinis Anti-Flüchtlings-Politik Besucher von ihrem Italienurlaub ab.

Der italienische Faschismus war bereits seit Beginn der 1920er Jahre ein wiederkehrendes Thema von Vorträgen und Publikationen. 1926 referierte Julius Deutsch auf einer Vortragsreihe durch die Tschechoslowakei über den Faschismus. Solche Abende hatten zumindest in den 1920er Jahren eine große Verbreitung. Ebenso wurde der italienische Faschismus in den unterschiedlichen Organen deutlich kritisiert und abgelehnt. 1926 wurden im „Eisenbahner“ die Ermordung Matteottis, das Verbot der freien Gewerkschaften und die Verhaftungswelle gegen Gegner des Faschismus aufgegriffen. Die Ablehnung des italienischen Faschismus und die bekundete Solidarität mit der unterdrückten italienischen Arbeiterklasse äußerten sich nicht nur in entsprechenden Vorträgen oder Beiträgen. Regelmäßig wurde zu Spenden zugunsten des Matteotti-Fonds der Sozialistischen Arbeiterinternationale aufgerufen. Vor dem Hintergrund dieser breiten ablehnenden Haltung des italienischen Faschismus erscheinen die Reiseangebote der URO an die Adria umso verwunderlicher. Dabei war man sich auch der Gefahren solcher Reisen bewusst. 1927, ein Jahr nachdem die URO ihren eigentlichen Betrieb aufgenommen hatte, warnte der „Sozialdemokrat“ vor unbedachten Äußerungen, wünschte aber zugleich: „Also viel Vergnügen für eine Italienreise!“ Nur wenige Monate später wurde eine weitere Warnung abgedruckt, diesmal von Wilhelm Ellenbogen, der schrieb: „Es ist Pflicht, alle Fremden vor dem Betreten Italiens zu warnen, wenn sie nicht Leib und Leben, Freiheit, Hab und Gut riskieren wollen.“ Noch 1935, als die URO-Reisen bereits regelmäßig durchgeführt wurden, verwies „Berg frei“ darauf, dass ein charaktervoller Naturfreund nicht nach Österreich, Deutschland oder Italien in Urlaub fahren könne.

Zwei Jahre später, 1933, wurde ein Artikel von Josef Hofbauer im „Aufstieg“ veröffentlicht, in dem er verdeutlicht, dass ein Sommeridyll in Italien „kein ungetrübtes, kein fleckenloses“ sein könne. „All überall steht schamhaft und unaufdringlich zumeist, die Not der Armen“. Wie positiv die Haltung zu den Italien-Reisen sein konnte, zeigt ein Beitrag von Emil Strauß mit dem Titel „Die schönste Reise meines Lebens, mit der URO in Italien“. Von den „einfachen“ Teilnehmern, deren Zuschriften im „Aufstieg“ veröffentlicht wurden, waren ebenfalls kaum kritische Worte zu hören.

Der versuchte Pauschaltourismus führte in der sudetendeutschen Sozialdemokratie dazu, dass man von einer deutlichen ablehnenden Haltung zum faschistischen Italien abrückte. Eine offene Diskussion zu diesem Konflikt hat es nicht gegeben.

Und wie halten wir es heute? Ist es uns egal, dass in dem Land, das wir besuchen, Menschenrechte grob verletzt werden? Kümmert es uns nicht, dass das rücksichtslose Vordringen von Mineraliensuchern, Holzfällern und Viehwirten die aktuellen Brände mit verursacht hat? Oder suchen wir uns unser Urlaubsziel oder die Art unserer Reise danach aus, dass wir niemandem damit schaden beziehungsweise Menschenrechtsverletzungen nicht billigend in Kauf nehmen?

Rainer Pasta

 

 
 

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